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Donnerstag, 10. Mai 2007

Das Treffen [Cut-Up]

Als ich die Straße entlang ging und eine Sonne hinter Giebeldächern hervor kriechen sah und das Blech der Motorhauben blitzte, ja geradezu entflammte, und in mir Gedanken empor schossen über den Schweiß in meinen Achselhöhlen und den Durst in meinem Rachen kam mir die alles entscheidende Idee: ich nahm eine Zigarette aus der Schachtel in meiner Hosentasche und sprach den erstbesten Passanten an:

ICH: Ich bitte sie um Feuer
ERSTER: Indem sie mich um Feuer baten, haben sie vielleicht diese paar belanglosen Worte auf Kosten seiner begrenzten Bedeutung angenommen.
ICH: Sie haben mich verstanden.
ERSTER: Ich habe ihre Worte verstanden, denn, ohne auch nur darüber nachzudenken, habe ich ihnen hingehalten, was sie verlangten, dieses bisschen Feuer.
ICH: Und doch ist die Angelegenheit damit noch nicht beendigt.
ERSTER: Seltsam: der Ton und gleichsam die Figur ihres kleinen Satzes kehrt in mir zurück, wiederholt sich in mir; als gefiele es ihm in mir; gern höre ich mir zu, wie ich ihn nachspreche, diese kleinen Satz, der seinen Sinn beinahe verloren hat, der aufgehört hat zu dienen und der dennoch weiterleben will, aber mit einem ganz anderem Leben.
ICH: Ich spreche zu ihnen, und wenn sie meine Worte verstanden haben, sind diese Worte null und nichtig.
ERSTER: Damit befinden wir uns schon auf der Schwelle des dichterischen Zustandes.
ICH: Sie sind Paul Valéry.
ERSTER: Letzten Endes hat man in sich selbst keinen Namen.
ICH: Setzen sie sich doch, ich habe viel Zeit.
ERSTER sich auf den Gehweg setzend: Ich greife auf gut Glück zum Beispiel das Wort Zeit heraus.
ICH: Dieses Wort war absolut durchsichtig, präzis, anständig und treu in seinem Dienst.
ERSTER: Solange es seine Rolle als Teil einer Rede spielte oder von jemand ausgesprochen wurde, der etwas sagen wollte.
ICH: Aber jetzt ist es ganz allein, so bei den Flügeln genommen.
ERSTER: Es rächt sich.
ICH: Es macht uns glauben, dass es mehr Bedeutung habe, als es Funktionen hat.
ERSTER: Es war nur ein Mittel und jetzt ist es zum Selbstzweck geworden.
ICH mehr flüsternd, als sprechend: Es verwandelt sich in ein Rätsel, in einen Abgrund, in eine Marter des Denkens…
ERSTER: Oft genug stellt man den Begriff Dichtkunst in Gegensatz zu dem des Denkens.
ICH: Wie man gut und böse sagt, Laster und Tugend, heiß und kalt.
ERSTER: Diese Simplizität legt mir den Verdacht nahe, dass sie von den Schulmeistern stammt.
Eine weitere Person tritt aus einer schweren hölzernen Eingangstür auf die Straße, mit großen hektischen Schritten kommt sie heran und bleibt stehen, starrt Valery auf den weißen Scheitel. Einige Sekunden spricht keiner, dann beginnt der fremde.
ZWEITER: Der Beginn der dichterischen Eskapaden liegt stets im Dunkel der Inspiration.
ERSTER: Ist es dies, was man vom Dichter verlangt?
ICH: Diese aus der Erregung entsprungenen Ausdrücke?
ZWEITER: Der Dichter wird zum Demiurgen, der aus dem Unbewussten neue Welten schafft.
ICH: Sie sind Michael Perkampus.
ZWEITER: Letzten Endes hat man in sich selbst keinen Namen.
Pozzo und Lucky treten auf. Pozzo führt Lucky am Strick vor sich her. Lucky trägt einen schweren Handkoffer, einen Klappstuhl, einen Vorratskorb und, überm Arm, einen Mantel; Pozzo hat eine Peitsche.
POZZO: Vorsicht! Er ist bissig. Bleibt stehen. Sie sind aber doch menschliche Wesen. Er setzt seine Brille auf. Soweit ich sehe. Er nimmt die Brille ab. Von derselben Gattung wie ich. Er lacht schallend. Von derselben Gattung wie Pozzo! Göttlicher Abstammung!
ERSTER: Eine derartige Wahrheit ist ein Grenzwert der Welt.
ICH: Es ist nicht erlaubt darin zu wohnen.
ZWEITER dem Pozzo die Peitsche aus der Hand reißend, Lucky und Pozzo um die Ecke jagend: Wir wissen nichts von der Welt! Das ist der Ausgangspunkt!
ERSTER: Wir wissen nichts und wir wollen sehen, wie viel sich herausfinden lässt.
ZWEITER zurückkehrend, erschöpft: „Sublimation“ bedeutet wörtlich übersetzt „etwas erhöhen“ oder „etwas veredeln“.
ICH theatralische Geste: Oh, Wollust!
ZWEITER sich auf der Motorhaube eines Wagens niederlassend: Ja, Wollust ist nämlich gedacht...
ERSTER: ... als ein Ort der Auflösung...
ICH händeklatschend zum Rhythmus eines vorbei tanzenden Musikanten: Ja, ja, weiter!
ZWEITER: ... des Körperlichen und des Geistigen, als dieses Phänomen nimmt sie einen einzigartigen Platz in der Konditionierung alles Lebendigen ein.
POZZO um die Ecke schauend, ängstlich: Wie spät ist es?
ZWEITER ärmelhochkrempelnd schnellen Schritts auf ihn zu: Die Realität war gestern. Heute ist der Traum.
POZZO: Ist es Abend?
ERSTER: Das Leben hat keine andere Form des Ablaufs.
ZWEITER auf Pozzo einschlagend: Bist du bald fertig? Willst du wohl still sein, du Mistvieh! Pozzo befreit sich unter Schmerzenschreien, kriecht davon.
ICH: Ob ich mal zu ihm rüberkrieche?
ERSTER: Lass mich nicht allein!
ICH: Oder mal nach ihm Rufe?
ERSTER: Lass nur. Pause. Das ist die ganze Menschheit. Schweigen. Sieh mal, die kleine Wolke.
ZWEITER zurückkehrend: Die Flügel bin ich los wenn ich doch habe meinen Flug.
ERSTER: Der Dichter erwacht im Menschen durch ein unerwartetes Ereignis...
ZWEITER: An scheinbar belanglosen Situationen entzünden sich entscheidende Stellen.
ERSTER: ... einen äußeren oder inneren Anlass: einen Baum, ein Gesicht, ein „Thema“, eine Erregung, ein Wort.
Ein weiterer Mann kommt hinzu, Mantel, Brille, Halbglatze, er wirkt etwas irritiert und mischt sich ohne zu zögern ins Gespräch.
DRITTER: Jetzt ist es Herbst. Ich wurde hierher geschickt aus einem Grunde, den ich noch nicht klar erkannt habe. Ich habe kein Geld, keine Zuflucht, keine Hoffnungen. Ich bin der glücklichste Mensch der Welt. Und dies hier? Dies ist Schmähung, Verleumdung, Diffamierung eines Charakters. Dies ist eine fortwährende Beleidigung, ein Maul voll Spucke ins Gesicht der Kunst, ein Fußtritt für Gott, Menschheit, Schicksal, Zeit, Liebe, Schönheit... was man will.
ICH: Sie sind Henry Miller.
DRITTER: Letzten Endes hat man in sich selbst keinen Namen.
ERSTER: Eines Tages belehrte mich jemand, dass Lyrik Enthusiasmus sei und dass die Oden der großen Lyriker ohne Korrekturen geschrieben seien, im gleichen Tempo wie die Stimme des Deliriums und der stürmisch brausende Geisteswind...
DRITTER: Ich bin nur geistig tot. Körperlich bin ich lebendig. Moralisch bin ich frei. Die Welt, die ich verlassen habe ist ein Zwinger. Die Dämmerung bricht an über einer neuen Welt, einer Dschungelwelt, in der die mageren Geister mit scharfen Klauen umherstreifen. Wenn ich eine Hyäne bin, so eine magere und hungrige: ich ziehe aus um mich zu mästen.
Auf allen Vieren wie ein Raubtier davon laufend.
ZWEITER: Muss ich geistige Regionen bemühen, wenn ich im Schlamm saß?
DRITTER: aus der Ferne: Ich werde für euch singen, vielleicht ein bisschen falsch, aber ich will singen.
ZWEITER sich niedersetzend, im Herbstlaub blätternd: Das Herz eines Dichters muss stets gebrochen sein, die Wunde darf nicht heilen.
ERSTER: Wie das vollkommene Vakuum und wie der tiefste Temperaturstand nicht erreicht werden können und nur um den Preis einer anstrengenden Progression der Leistungen nahezubringen sind, so verlangt die letzte Reinheit unserer Kunst so lange und so harte Selbstüberwindung...
ICH nachflüsternd: Selbstüberwindung!
ERSTER: ... dass sie fast die ganz natürliche Freude, Dichter zu sein, aufzehren und am Ende nur den Stolz übriglassen, niemals befriedigt zu sein.
ICH: Den meisten jungen Leuten, die mit dem dichterischen Instinkt begabt sind, ist diese Strenge unerträglich.
ZWEITER: Ein Mensch, der sich von der Jugend verabschiedet hat, kann kein Künstler sein, das ist völlig ausgeschlossen. Sich auf dem Boden legend, Blick himmelwärts. Aber er wird sie nicht erhalten, bis er von kompetenter Seite den Sinn der Schöpfung erklärt bekommt, also nie.
ERSTER: Also nie.
ICH: Also nie.
Das Orchester der Straße beginnt zu spielen, schwillt an, lässt alles erbeben bis die ganze Kulisse in Trümmern darnieder liegt.




Quellen:
Paul Valéry „Zur Theorie der Dichtkunst“, Insel Verlag Frankfurt am Main 1962
Henry Miller „Wendekreis des Krebses“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1979
Samuel Beckett „Warten auf Godot“ in Samuel Beckett „Drei Stücke“, Suhrkamp taschenbuch, 2005
Michael Perkampus „Aperçus zu einer neuen Literatur“, unveröffentlicht

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