„Mein Richtstern ist ein faustgroßer Planet“ Sarah Kirsch
Im Schilf verirrt ein kleiner Schwan
Mit dem Wind und seinen aufgeplusterten Geräuschen
Das wilde Gras in der Ferne eine Leinwand meiner Augen
Wo Touristen und ein Mäusebussard gleiten
Niemand kann uns retten.
Die spiegelnden Dünen laufen gegen das Ufer
Der Schwan lehnt sich in die Bewegungen der Halme
Es ist der Schlaf im Licht das wie Staub auf dem Wasser
Wie blauer Himmel dir zugeneigt am Grund die vergessenen Schätze
Niemand kann uns retten.
Und in gefalteten Händen ertönt das Gras zu einem letzten Gruß
Dem Sommer folgend auf den Grund wo das Schilf seine Reise
umarmend den ewigen Traum eines ahnungsvollen Schwans
Wie blauer Himmel uns zugeneigt mit verirrten Geräuschen
andrethom - 25. Mär, 18:52
für Pablo Neruda
Diese Ferne in allen Dingen,
die zu erreichen ich mich sehne.
Verse wie angeborene Wunden,
gesungen um nicht zu vernarben.
Eine lüsterne Zeile nur, übervoll an Lärm und Stille,
die zu verstehen nur meinen Adern gelingt.
Vielleicht die traurigen Landschaften
vergilbter Zeilen, blühender Zeilen!
in denen das Leben das Leben berennt.
Ich, eingeklemmt zwischen den salzigen Fluten und
der warmen Erde, die sich mischen wie ich.
Wenn wir diese Spiele spielen,
als die Kinder, die wir immer waren,
Knochen, Nerven und Fleisch,
träumend, einander bindend mit gierigen Tagen & Nächten,
trunken vom Durst, den wir durchmessen.
Diese Ferne in all den Räumen,
ein Atemzug in dem wir geschmiedet werden,
verborgen und wieder abgegeben.
(Dieses Buch hat mich jahrelang begleitet, im wahrsten Sinne des Wortes, wie man auch an seinem Zustand erkennen kann. Es war eines der ersten Lyrik-Bücher, die ich jeh gelesen habe und es ist noch heute ein großer persönlicher Schatz, in dem ich regelmäßig lesen und staunen kann.)
andrethom - 23. Mär, 16:34
Sie gingen spurlos durch den Schnee. Der glitzerte nicht. Unter versteinerten Wolken pfiff kalter Wind durch kahle Bäume, feingliedrige Baumkronen allüber. Allgemeine Farbarmut, Schnee:weiß, Himmel:grau, Fauna:braun, Schnee in allen Nuancen. Mattblau floß ein Bach dahin. „Nimm die Kopfhörer raus, ich will mich unterhalten.“ „Ja.“ „Sieh mal, die Eisschollen“. „Ja.“ „Wir sollten schauen, wie wir auf die andere Seite kommen, dort muss irgendwo die Statue sein.“ „Ich glaube, an der Brücke sind wir schon vorbei.“ „Du weißt auch immer alles besser.“ „Ja, im Grunde schon, aber ich bin mir nicht sicher, ich war hier noch nie.“ „Dabei wohnst du gleich um die Ecke.“ „Ja.“ „Gut, dass du mich hast.“ „Ja. Meinetwegen.“ Lichtveränderung, ein Bruchstück Sonne fiel ins Bild, vervielfältigte sich, ging ab. Knirschenden Schrittes liefen sie den Bach hinab, Nueva und Adaun, mit Eisschollen treibend, lärmendem Schmelzwasser hinterher. „Bei Blake gibt es eine Stelle, wo es heißt, der Mensch habe sich eingeschlossen und sehe alle Dinge nur durch schmale Ritzen seiner Höhle.“ „Denkst du, das könnte etwas mit dem Fehlen dieser Brücke zu tun haben.“ „Ich meine ja nur, im Moment ist der Schnee meinen Augen im Weg.“ „Dein Auge ist dem Schnee im Weg.“ „Im Weg ist mein Auge der Schnee.“ „Das ergibt keinen Sinn.“ „Meinetwegen.“ „Adaun, ich liebe deine blauen Augen.“ Keuchend weiter, Nueva und Adaun, Atemdampf vorm Mund zerfiel. Adaun schwitzte ein wenig in seinem dicken Mantel. „Danach gehen wir aber in irgendein Café, ich habe Lust auf ein ausgiebiges Frühstück, mit warmen Milchkaffee, Croissants, Marmelade und Orangensaft.“ „Ich versuche dir hier etwas elementares nahe zu bringen und du denkst nur ans Essen.“ „Natürlich, nichts kann so erstaunlich sein, dass man danach nicht an sein Wohlbefinden denken kann.“ „Gewagte These.“ „Ich habe Schnee im Schuh, mir ist nicht nach analytischen Diskussionen.“ Unter den Schritten ging die Szene ab, eine Brücke nahte, zu beiden Seiten gesäumt mit Gesträuch, versorgt mit matschigem Braun: ein Weg. „Adaun, das ist es.“ „Das ist was?“ „Was wir gesucht haben, die Antwort.“ „Wir haben eine Brücke gesucht.“ „Ja, sag ich doch.“ „Beschreiten wir sie?“ „Küss mich.“ „Wie abgeschmackt.“ „Küss mich.“ Sie wurzelten ineinander, zwei Lippenvögel miteinander schwebend. Trostlose Parkatmosphäre, bewintert und kalt. Von manchen Ästen fiel Schnee mit Matschgeräuschen; keine anderen Spaziergänger zu sehen, Nueva und Adaun beschritten die Brücke, starrten eine sehr kurze Weile übers Gerüst auf den fortgleitenden Bach, entzündeten sich Zigaretten und gingen weiter, nunmehr in Richtung Westseite des Parks, dicht bewaldet. „Wo ist jetzt die Statue?“ „Keine Ahnung, wir müssen irgendwo falsch abgebogen sein.“ „Aber es gibt nur diesen Weg.“ „Ja, sehr seltsam, eigentlich hätte es mehrere geben sollen.“ „Wir laufen einfach weiter, bis wir das Ende des Parks entdeckt haben und dort orientieren wir uns neu.“ Nueva hängte sich bei Adaun ein, sie gingen schweigend weiter. Für einen Moment waren es nicht mehr Nueva und Adaun, die am frühen Morgen durch diesen Park spazierten auf der Suche nach irgendeiner Statue, aber was es dann war, ist nicht mehr zu sagen. Es wurde wärmer. „Da vorne ist eine Straße, lass uns mal sehen, wo wir sind.“ „Es sind einige Leute unterwegs, die werden uns bestimmt etwas sagen können.“ „Hey, Junge, wo geht’s zur...“ „Monsieur, keine Zeit, die Hinrichtung beginnt bald.“ „Nun, Nueva, das ist allerdings ein Zufall, wollen wir uns beeilen sie zu sehen.“ „Wie du meinst.“ Die Straßen waren in Aufruhr, dreckiges Volk drängte sich auf dem Platz. Die Guillotine war bereits aufgebaut. „Adaun, dein Frack sitzt schlecht, lass ihn mich ein wenig richten.“ „Gut, ich möchte zu so einem feierlichen Anlass nicht als Lump erscheinen.“ „Nun, ich denke, da wird keine Sorge bestehen bleiben, der größte Lump verliert in wenigen Augenblicken seinen Kopf.“ „Schau mal, die Sansculotten marschieren vorbei, der Pöbel ist außer sich.“ „Lieber Adaun, plötzlich ist mir nicht wohl zwischen diesen vielen Menschen, lass uns wieder nach Hause spazieren.“ „Aber dann verpassen wir die Hinrichtung, ich will sicher gehen, dass diesem Lump noch heute der Kopf abgeschlagen wird.“ „Keine Sorge, das Volk wird sich das nicht nehmen lassen, bitte begleite mich zurück.“ „Nun gut, einer so charmanten Dame verweigere ich keinen Wunsch.“ Die Massen peitschten den Dreck der Straße in die Lüfte, Trommelwirbel, Trommelwirbel, Kindgeschrei, Bettler uns Taschendiebe nutzten die Gunst der Stunde. Nueva und Adaun liefen eine Weile durch ein Labyrinth aus Gassen, Straßen und Plätzen. Sie wussten nicht, wo sie waren. „Lass uns bei nächster Gelegenheit in einem Lokal halt machen.“ „Aber du hattest mir versprochen, dass wir erst nach der Besichtigung der Statue frühstücken wollten.“ „Aber mittlerweile ist es fast Mittag und wir sind nicht einmal mehr im Park, von dem ich ehrlich gesagt im Moment auch nicht weiß, wo er liegt.“ „Wir gehen einfach an der nächsten Kreuzung rechts und ein Stück die Hauptstraße entlang, dann kommen wir vielleicht wieder an einen Ort, den wir kennen.“ „Gut, aber wenn uns da irgendwo ein kleines schönes Lokal begegnet wird gefrühstückt.“ „Wir werden sehen.“ Nueva und Adaun blieben nicht lange auf der Hauptstraße, ihr Aufmerksamkeit wurde von einer Passage angezogen, aus der einiger Lärm und Musik zu hören war. „Sieh mal, Auerbach´s Keller, das scheint mir ein hervorragender Ort zum speisen zu sein.“ „Aber das ist eine Kneipe“ „Nun ja, dann nehmen wir eben noch etwas Sekt zu unserem Frühstück, das bestärkt die Sinne.“ „Du meinst, es vergrößert die Ritzen in Blakes Höhle.“ „Oder die Freude am schwachen Licht in dieser.“ „Na gut, mir schmerzen sowieso die Füße, eine kleine Verschnaufpause wird uns gut tun.“ Sie stiegen die Treppenstufen herab. Die Türen wurden aufgestoßen, ein Wirrkopf ritt auf einem Fass vorbei. Adaun zwirbelte sich den Bart, Nueva richtete ihr Kleid. „Lass dich hier nie wieder sehen, wir wollen keine Zauberei in unsrem Laden“, rief ein fettleibiger Kellner. Der Lärm war außerordentlich. Sie setzten sich an einen Tisch im hinteren Teil des Ladens.
andrethom - 21. Mär, 17:31
I. Teil
Ich bin durch Zufall auf dieses Buch gestoßen, ich schlenderte durch die Leipziger Innenstadt und wurde, wie so oft, magnetisch von einem kleinen Antiquariat angezogen. Es ärgerte mich, dass sie bei schlechtem Wetter ein Bücherregal einfach draußen stehen ließen, ganz sicher die Bücher, die man zu Ramschpreisen zu verscheuern gedachte.
"Spiegelbilder" stach mir gleich ins Auge, aber da wusste ich noch nicht, dass es von Aragon war. Einer Laune folgend kaufte ich das Buch für 5 Euro (vor allem auch, weil dieser Preis mal ausnahmsweise nicht meine finanziellen Mittel überstieg).
Ich begann schon in der Straßenbahn zu lesen, schon nach den ersten Seiten wurde mir klar, hier einen großen Roman in den Händen zu halten. Eine Sprache findet man darin, die wahrlich atmet, es gelingt ihm, sie zum Leben zu erwecken, nicht die Sprache dem Geschehen anzupassen, sondern sie selbst als erlebbares Element des Romans zu beseelen.
Dabei ist der Inhalt, das vermeintliche "Geschehen", im höchstem Maße interessant, nichts ist klar, man weiß nie ob die Personen im Rahmen des Erzählten (ein Rahmen, der immer nur weitere Rahmen beinhaltet) existieren oder ob sie erfundene/erinnerte Manifestationen des Erzählers darstellen, ein Vergangenheitsego, ein Eifersuchtsego usw. die durchaus untereinander, aber auch mit dem wesentlichen Fixpunkt des Romans, Fougère (eine Sängerin), interagieren. Die Personen verhalten sich zueinander wie die Bruchstücke eines sorgsam zertrümmerten Spiegels.
Der zweite Teil folgt in einigen Tagen, wenn ich die Notizen, die ich mir während der Lektüre (und ich habe dieses Buch noch nicht zuende gelesen, in dieser Hinsicht können und müssen die Ausführungen als vorläufig gelten ) gemacht habe, geordnet sind.
andrethom - 19. Mär, 18:27
I.
Ich leiste mir schweren Atem, während du gekommen bist um da zu sein, wie ich, wie wir beide, einander abwesend umkreisend, übereinander liegender Hände heißkalter Schweiß & trotzdem beginne ich zu bersten, neben dem grünen staubigen Sessel, beginne zu sprengen, was nicht zu sprengen ist, wir beide, die hier sind, einander abwesend // im Handgeäst dahingehauchter Fingerwind & nichts außer schwerem Atem, den Raum bis an die Grenzen verdichtender Atem, dort, wo nichts zu sprengen ist & im Moment unendlich //
II.
Da bist du und nichts gefällt mir an dir, weder die rabenschwarzen Haare, noch die fein akzentuierten Wimpern, das Gewimmel deiner flinken Hände im Bücherregal, mir kommt die Galle, wie du Proust sagst, Braust, was soll das? & das fleckige Rot deiner Wangen, die Peinlichkeit einer sich schämenden Person, Wolfslachen, Vorsicht, du verbrennst ja, haha // deine Anwesenheit, ohne Grund, ganz ohne Grund, Oberfläche; wir beide, bewegungslos durch die Wohnung hastend, eingeschlafen, ich bin müde vor Zorn, hastig dahingeworfene Schweißhände, ich ziehe zurück, den Atem, wir beide, du genaugenommen// ich sprenge deine Präsenz, befreie den Raum & meine Zeit.
III.
Sie betrat die Wohnung, er wusste nicht, warum. Man könne sich auch außergerichtlich klären, sie wäre bereit das Sorgerecht zu teilen, erhöhe er nur die Zahlungen. Er kriege das Sorgerecht sowieso, zumindest wisse er nun, warum sie hier ist. Sie zieht sich Lederhandschuhe an und schweigt. Das müsse doch nicht, sein; ob er noch wisse, wie es war am Anfang, ganz am Anfang. Er wisse es noch, er wisse noch, wie es war, wie sie war. Sie kramt in ihrer Handtasche, greift den Revolver heraus und sprengt seine Brust.
IV.
Im warmen Dickicht unsres Gliedertaumels, ein Kuss hauchte vorbei & befreite mich von allen Wunden/ ich formt dich neu mit meinen Augen=Blicken / seltsame Kopfverdrehungen, unsere Münder die Luft schnappend vor einander & schwitzend dein Rücken unter meiner Hand, die / kleine spinnfadige Narbe befühlend, dahingehaucht, ein gewaltiger Schmerz, unter schwerem Atem, bis an die Grenzen verdichtet; mein Leib ist geblendet vom Licht deines Leibes, wölfisches Lachen aus dir heraus geatmet / Flucht in den grünen Sessel, angetreten von mir & dort, wo du bist, dich in Schlafsphären hüllend, nichts zurücklassend, mich gesprengt.
andrethom - 19. Mär, 18:15